Im April gab es im WDR eine Reportage. Eine kleine Wandergruppe hatte sich aufgemacht, im Ruhrgebiet sieben Halden zu erwandern. Rund 50 km Haldenhopping an nur einem Tag. Die Sendung aus der Reihe Heimatflimmern kann man noch in der Mediathek anschauen.
Es gibt Dinge, die man mir besser nicht zeigt. Ganz ähnlich wie bei meinem Tandemflug in Tirol. Jedenfalls stand nach der Sendung fest: diese Tour werde ich auch unternehmen! Aber nicht an einem Tag, das stand ebenfalls sofort fest. Ich wollte mir zwei Tage dafür nehmen. Man muss sich nicht hetzen und quälen, das Wandern soll Spass machen. Außerdem habe ich kein Kamerateam dabei, sondern fotografiere / filme selber. Das sind Pausen, die ich mit einrechnen muss. Unterwegs möchte ich keinen Stress haben.
Mit der Bahn ging es früh morgens zunächst nach Essen und dann mit dem Bus weiter nach Oberhausen-Sterkrade zur Haltestelle Everslohstraße. Die Verbindung kann ich empfehlen, es hat reibungslos funktioniert und von der Bushaltestelle sind es nur ca. 150 m bis zum Fuß der ersten Halde, der Halde Haniel (159 m)
Das Wetter an diesem Tag war leider überhaupt nicht auf meiner Seite. Es waren Regen und Gewitter angesagt und von beidem sollte ich mehr als reichlich haben. Aber freie Samstage sind ein seltenes Gut, da muss man mit dem leben, was vom Himmel kommt. Auch auf sportlichen 23 km.
Bereits beim Aufstieg auf die erste Halde wurde mir klar, wieso die Halden als künstliches MittelGEBIRGE bezeichnet werden. Man kann die Halden auf langgezogenen Schlingenwegen erklimmen, man kann aber auch die deutlich kürzeren Trampelpfade dazwischen nehmen. Aber die haben es in sich! Sie sind steil und der Untergrund ist rumpelig und rutschig, erst recht bei Regen. Nach dieser ersten Halde habe ich sie nie wieder als einzigen Weg hinauf genommen, sondern bin teils die Schlingenwege, teils die direkten Pfade gegangen. Das ist weniger anstrengend und man wird auch nicht so dreckig.
Ich war ziemlich froh als endlich die Totems auf dem Gipfel der Halde Haniel in Sicht kamen. Sie stehen am höchsten Punkt und wurden 2002 vom Künstler Augustin Ibarrola geschaffen. Es handelt sich um rund 100 alte Eisenbahnschwellen, die bunt bemalt sind. Man kann sich direkt bei den Totems umschauen und dabei auch den Ausblick genießen. Man kann von dort oben unfassbar weit schauen und mal wieder feststellen, wie grün der vermeintlich graue Pott sein kann. Dort oben gibt es außerdem ein Amphitheater mit 800 Plätzen, wo Theater- und andere Kulturveranstaltungen stattfinden. Das würde ich auch gerne einmal erleben.
Auf dem Weg von der Halde herunter legte das Gewitter so richtig los. Es schüttete wie aus Eimern. Entlang der Wege stehen hier und da Überbleibsel aus Zeiten des Bergbaus. Meine Rettung war ein Wagen einer ehemaligen Bahn. Rein da und das Gewitter aussitzen. Als die Pfütze direkt vor dem Wagen so tief zu werden drohte, dass ich beim Aussteigen bis über die Schuhe darin versinken würde, bin ich allerdings wieder raus und im Regen weitergelaufen. Leben in der Lage oder so. Am Gipfelkreuz vorbei und auf dem Kreuzweg ging es zügig abwärts. Dabei kam auch das Bergwerk Prosper-Haniel in Sicht.
Eines muss man wissen, wenn man diese Tour unternehmen möchte: man hat zum Großteil Asphalt unter den Schuhen. So grün die Aussichten oft sind, die Wege sind es ganz klar nicht. Mehr als 20 km auf Asphalt sind eine ganz andere Hausnummer als 20 km im Wald. Bequeme Schuhe sind also Pflicht!
Unten am Fuße der Halde angekommen ließ der Regen freundlicherweise kurz nach und das Gewitter zog von dannen.
Auf dem Weg zur nächsten Halde, der Halde Beckstraße, überquert man auf einer Brücke die A2 und gelangt anschließend in einen Park. Auf dem Mauskirchweg läuft man hindurch und erreicht gegen Ende den Stadtteich, der dort mitten im Grünen liegt. Der Untergrund ist auf diesem Abschnitt meist ein fester geschotterter Weg. Das ist nach Straßen und Gehwegen tatsächlich ganz angenehm.
Das Wetter schien sich endlich auch zu bekrabbeln und so bin ich recht zuversichtlich weitermarschiert. Es geht an Straßen entlang und auch mal durch Wohngebiete immer Kurs Halde Beckstraße. Man sollte den Track auf dem Handy haben, denn beschildert sind die Halden meistens erst kurz bevor man dort ist. Die Gegend ist halt kein Wandergebiet und die Beschilderung richtet sich meistens an Auto- und Radfahrer.
Kurz bevor ich die Halde erreichte, zog der Himmel sich allerdings wieder zu. Zwischen den Halden war es meist trocken, kaum an einer Halde angekommen, ging der Regen wieder los und das nächste Gewitter lief sich warm. Die Treppen zu Beginn des Aufstiegs auf die Halde Beckstraße habe ich tatsöchlich als angenehm empfunden, da es eine Abwechslung zum Pflastertreten war. Kommt man aus dieser Richtung, so gelangt man danach über Spazierwege hinauf auf die Halde.
Gemeinsam mit dem Gewitter kam ich schließlich oben an. Zum Glück war ich vor einigen Jahren bereits auf dem Tetraeder, so konnte ich mir den Aufstieg an diesem Tag und bei diesem Wetter sparen. Der Tetraeder steht seit 1995 und man kann von drei Aussichtsplattformen den Blick über das Ruhrgebiet schweifen lassen. Höhenangst sollte man besser nicht haben, denn die oberste Plattform befindet sich auf 38 m Höhe und hat eine leichte Neigung.
Im dicksten Regenschauer ging es zügig weiter und über die Treppe auf der anderen Seite runter von der Halde. Wer von dieser Seite zum Tetraeder geht, der muss die Treppe natürlich hinauf. Es sind über 300 Stufen. Das hätte ich nicht haben müssen, da war ich mit meinem Aufstieg ganz zufrieden. Das Haldenhopping war auch so schon anstrengend genaug. Auf halber Treppe habe ich mich mal wieder untergestellt, dieses Mal unter Bäumen. Viel geholfen hat es leider nicht. Aber ich war ja sowieso schon nass.
Über die Bahnstrecke hinweg führt die Route nun weiter in Richtung der letzten Halde für diesen Tag, der Schurenbachhalde. Vorher bekommt man allerdings einen Kontrast geboten, der heftiger kaum sein könnte. Man läuft ein ganzes Stück lang direkt an einer vierspurigen Straße, einem Autobahnzubringer. Ich habe ernsthaft bezweifelt, dass man als Fußgänger dort irgendwas zu suchen hat. Aber ich war nicht alleine unterwegs, auch ein paar Radfahrer radelten auf dem schmalen Randstreifen entlang. Ein Schild wies ihn ganz offiziell als Fuß- und Radweg aus. Links neben sich die laute und volle Straße, LKW die an einem vorbeibrettern, der helle Wahnsinn! Und da muss man drüber! Mit Puls 180 hat es schließlich geklappt und ich war selten so froh. Ich halte diesen Abschnitt für super gefährlich und ich bin in solchen Dingen eigentlich nicht zimperlich.
Hat man die Herausforderung glücklich gemeistert, gelangt man fast direkt zum Rhein-Herne-Kanal und plötzlich ist die Strecke einfach nur wunderschön! Verrückt, wie nahe sich solche Gegensätze hier sind. Außerdem kam hier endlich die Sonne so richtig raus. Es wurde warm und ich nach und nach sogar trocken. So hätte es gerne bleiben dürfen. Einmal mehr überquert man eine Bahnstrecke und durch einen kleinen Park geht es nun geradewegs auf die Schurenbachhalde zu..
Pünktlich zur dritten Halde waren auch Regen und Gewitter wieder zur Stelle. Irgendwie sollte es an diesem Tag scheinbar so sein. Im Vergleich zu den beiden anderen Halden ist der Aufstieg zur Schurenbachhalde kurz und knackig. Er führt geradewegs in eine echte Mondlandschaft. Der Anblick des Plateaus und der Pfad über die fast schwarze Ebene ist einfach nur beeindruckend. In der Mitte steht einsam und alleine die Bramme, eine Skulptur des Künstlers Richard Serra. Die Bramme besteht aus Stahl, ist stolze 14,5 m hoch und wiegt unglaubliche 67 Tonnen.
Endlich wieder nass bis auf die Haut ging es schließlich hinunter von der Halde, nochmal über die A2 hinweg bis zur Bushaltestelle Kirche Heßlerstraße, wo dieser erste Teil vom Haldenhopping endete. Der Bus brachte mich dann nach Essen und bis zum Hotel waren es glücklicherweise nur noch ein paar Meter.
Das Wetter an diesem Tag war eine Vollkatastrophe, das muss man ganz ehrlich sagen. Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nie so nass. Aber man kann sich tatsächlich daran gewöhnen, jedenfalls soweit, dass es einem irgendwann schlicht egal ist.
Obwohl man mit einigen Parks und bei den Halden durchaus Grün um sich hat, ist man zum Großteil auf Asphalt unterwegs. Genauso läuft man an (großen) Straßen und durch Wohngebiete. Man ist nun mal mitten im Pott unterwegs, da gehört das eben dazu. Trotzdem gibt es eine dicke Empfehlung für den ersten Teil vom Haldenhopping, denn die Halden lohnen die Strapazen auf ganzer Linie. Sie sind zwar wirklich ein echtes Gebirge und es geht deftig hinauf, aber die Ausblicke und die Installationen auf den Gipfeln entschädigen komplett dafür. Danke für die Inspiration, Heimatflimmern!
Informationen (Stand 06 / 2022)
- Name: Halden Hopping Part 1 – Haniel, Beckstraße & Schurenbach (GPX)
- Startpunkt: Bushaltestelle Everslohstraße, Oberhausen-Sterkrade
- Zielpunkt: Bushaltestelle Kirche Heßlerstraße, Altenessen
- Länge: ca. 23 km
- zum Großteil Asphalt, gelegentlich Schotter, drei zünftige Anstiege
- Halde Haniel, Halde Beckstraße, Schurenbachhalde