Das Ahrtal spukte uns bereits seit geraumer Zeit für eine Tour im Kopf herum.
Aber es war schwierig. Einerseits wollten wir nicht aussehen wie Katastrophentouristen und den Bewohnern für unser Vergnügen zur Last fallen. Andererseits wurde einige (längere) Zeit nach der Flutkatastrophe bereits damit geworben, dass die ersten Wanderwege wieder erreich- und begehbar und Gäste gerne gesehen waren.
Es hat dennoch bis dieses Jahr im Juni gedauert bis es uns endlich ins Ahrtal verschlug.
Die Inspiration zur geplanten Tour stammt von einem unserer favorisierten Outdoor Youtuber, bringt es in unserer Version aus Gründen aber „nur“ auf 10 km.
ACHTUNG
Diese Wanderung hat alpinen Charakter! Wer Höhenangst hat, nicht trittsicher und nicht schwindelfrei ist, der sollte es sich zweimal überlegen! Ein solide aufgestelltes Nervenkostüm kann auch nicht schaden! Das ist keine Wanderung für komplette Anfänger. Wenn du sie an einem solch heißen Tag gehst wie wir, dann nimm‘ unbedingt mindestens doppelt so viel Wasser mit wie sonst und denke an eine Kappe oÄ und Sonnenschutz.
Nach einer erholsamen Nacht im Hotel, haben wir uns am Samstag gleich morgens früh auf den Weg gemacht. Die Wettervorhersage kündete von fast 30 Grad, da wollten wir möglichst am Mittag schon fast durch mit der Tour sein. Wie blauäugig wir doch waren.
Der Anfang der Wanderung war noch ganz angenehm, schön flach ein Stück durch den Ort und dann sachte ansteigend hinauf in die Weinberge. Dort ließen großartige Aussichten nicht lange auf sich warten.


Ich wandere ja sowieso super gerne in Weinbergen umher. Ich mag die Linien der angebauten Reben, die geschwungenen Wege und die mediterranen Steinwände, in denen oft so goldige Echsen leben und zu beobachten sind. Dass es auf diesen Wegen stetig bergauf geht, das bemerkt man dabei kaum. Auch das ist ein dicker Pluspunkt am Wandern in Weinbergen. Übrigens gab es einen Ort weiter sogar „Flut-Wein“ zu kaufen. So traurig es eigentlich ist, irgendwo eine schöne Art mit dem Vergangenen umzugehen. Wenn man eine gewisse Höhe erreicht hat, dann ist deutlich zu erkennen, wie aussichtslos es war als das Wasser in dieses Tal kam. Rechts und links Berge, kaum ein Entrinnen. Furchtbar!

Mit dem Ümerich war bald ein erster Aussichtspunkt erreicht, den wir erfreulicherweise für uns alleine hatten. Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet bei diesem Wetter und an einem Wochenende. Wir haben eine Weile den Ausblick bewundert und sind ein wenig dort oben umher gekraxelt. Im Vergleich zu dem, was uns noch erwartete, war das hier glatt ein Kinderspiel.
Wenig später war die Burg Are bereits ausgeschildert. Sie war unser erstes Zwischenziel und sah lange Zeit uneinnehmbar aus. Wie sollte man denn da hinauf kommen?
Versprochen, es funktioniert und ist nicht mal halb so anstrengend wie man von Ferne schnell denkt.


Die Ruine ist sehr sehenswert und bietet einen weiteren genialen Aussichtspunkt. Sie ist überaus beliebt als Wander- und Ausflugsziel und dementsprechend war hier schon deutlich mehr los als auf dem Weg bisher. Der Pavillon ist der ideale Platz für eine kleine Pause. Höher geht es hier nicht und das Dach bot außerdem angenehmen Schatten. Aus 240 m Höhe blickt man hinunter auf den Ort Altenahr, der malerisch im Tal gelegen ist. Es lohnt sich, einen kleinen Rundgang durch die Ruine zu unternehmen. Wenn man berücksichtigt, dass die Burg in den Jahren 1095 bis 1105 errichtet wurde, dann gibt es doch noch viel zu sehen und zu entdecken.

Im unteren Teil der Burgruine gibt es ein halbhohes Geländer. Dass dahinter und etwa einen halben Meter tiefer ein Pfad beginnt, das muss man wissen. Sehen kann man ihn kaum. Hier also begann der abenteuerliche Teil der Tour, denn man muss auf diesen Pfad und dafür über das Geländer. Ich glaube, wir haben es relativ unbeobachtet geschafft und ein Verbotsschild gibt es schließlich nicht. Außerdem ist dort ja auch ein Weg, so wenig man es noch erkennen kann. Lange vergessen, aber seit Social Media neu entdeckt und erwandert. Wir sollten uns noch wundern, was hier später für ein Andrang herrschte!

Der Weg fordert einen von den ersten Schritten an. Er ist schmal und oft geht es rechts und links einfach abwärts. Er ist steinig und stolperig und voller loser Steine und später auch noch voller Baumwurzeln. Es geht ständig auf (und zwar so richtig, sodass man manchmal sogar die Hände braucht) und ab (ebenfalls so richtig und manches Mal nur im vorsichtigen Rückwärtsgang) und hinter jeder Kurve muss man erstmal genau schauen, in welche Richtung man am besten weiter vorankommt. Der Weg kann gefährlich sein, das lässt sich nicht schönreden. Wer hier die Nerven verliert, der hat schnell ein Problem. Denn den Weg zurücklaufen, das ist auch keine Option. In entgegengesetzter Richtung ist er keinen Deut besser zu laufen.

Anfangs waren wir noch alleine auf dem Weg, dann kamen uns nach und nach immer mehr Gruppen aus der anderen Richtung entgegen. Und jeder hatte zu kämpfen. Man muss hier schwindelfrei, trittsicher und vorsichtig sein, sonst wird das nichts.
Es dürfte unsere langsamste Tour gewesen sein. Dass es sowas in Deutschland abseits der Alpen gibt, ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es stimmt. Und ich habe richtig feste geschimpft zwischendurch. Aber schneller ist in dem Gelände kaum drin. Das ist wirklich kurz vor Klettern da oben! Sonst komme ich mir mit meinem Tempo immer wie die lahmste Schnecke vor, hier hat es mich ausnahmsweise gar nicht gestört.

Das Gipfelkreuz der Engelsley war die ideale Gelegenheit für eine Rast. Bequem ist es nicht, aber der Blick ist es wert. Von dort oben konnten wir beobachten, wie sich unsere Entgegenkommer gegenüber den Hang zur Burg Are hinaufkämpften. Ich hoffe, alle haben es gesund und munter geschafft. Der Blick ist einmal mehr gigantisch. Suche dir vor dem Genießen aber bitte unbedingt ein Fleckchen, wo du sicher stehen kannst. Am Gipfelkreuz zB kann man sich prima festhalten. Ich hätte mich dort gerne einmal hingesetzt für ein paar Minuten, aber irgendwie war kein einziger Stein auch nur halbwegs dafür geeignet.
Viele Fotos von dem Steig gibt es leider nicht, wir hatten in dem verbuschten Gelände alle Hände und Füße voll zu tun.


Wir haben viele kleine Pausen gemacht, auch am Engelsloch und zwischendurch immer mal wieder. Noch ein steiniger Aufstieg, noch ein gerölliger Abstieg, vorwärts oder im Rückwärtsgang. Dass mir Höhenmeter zu schaffen machen, das weiß ich. Dass auf einer 10 km Tour meine Kondition die Waffen strecken könnte, das wäre mir nie in den Sinn gekommen. Aber so war es irgendwann. Ich hatte überhaupt nicht den Eindruck, dass wir nach und nach doch wieder abgestiegen waren. Im Rückblick war die Tour ein geniales Abenteuer, mitten drin musste ich manches Mal die Zähne zusammenbeißen. Ich habe ja immer diese Angst zu stürzen. Nicht weil ich mir was tun könnte, sondern weil ich nicht wie der letzte Wandertrottel aussehen möchte. Das macht solche Aktionen nicht leichter.


Das erfrischende Ziel der Wanderung sollte die kühle Ahr unten im Tal sein. Es wurden nach und nach immer mehr Klamotten, die ich dort hineinwerfen wollte. Die Route sollte geradewegs durch den Fluss verlaufen. Ich konnte es gar nicht mehr erwarten.
Unsere Wasservorräte waren an diesem Punkt bereits bis auf ganz kleine Reste ausgebraucht. Wir waren mit viel zu wenig Wasser aufgebrochen, aber wir hatten auch nicht mal ansatzweise geahnt, wieviel wir auf dieser Tour trinken würden. Mir dröhnte auf halbem Weg hinunter zur Ahr bereits ganz schön der Kopf. Endlich, endlich kam der Fluss näher! Darum und auch wenn ich mich wiederhole: nimm‘ unbedingt mehr Wasser mit als du sonst unterwegs verbrauchst!

Die Route mitten duch die Ahr stellte sich dann leider als schwierig heraus, denn jedes dafür geeignete Stück Ufer war bereits von Badenden besetzt.
Somit sind wir doch bis zur Brücke gelaufen. Vorher war aber erstmal eine längere Pause angesagt. Selten war ich so platt. Und noch nie habe ich so geglüht.
An der Brücke ging es dann endlich ins Wasser. Kappe eintauchen und wieder auf den Kopf, T-Shirt aus und ins Wasser, wieder anziehen, herrlich! Einige Meter weiter bin ich dann noch samt Socken und Schuhen ins Wasser, unten herum also auch alles nass, phantastisch! Noch nie habe ich mich so erfrischt gefühlt! Und wenigstens Kappe und Socken blieben auch noch eine Weile nass und kühl.

Da unser Wasser (also das in Flaschen) immer knapper wurde, beschlossen wir, die geplante Tour etwas abzukürzen und in Altenahr zu beenden. Zeitlich wurde es auch langsam eng, immerhin standen noch über 5 Stunden Rückfahrt mit der Bahn an. Rückblickend eine noch bessere Entscheidung als eh schon gedacht. Wären wir weitergelaufen und später zurückgefahren, hätten wir gegen 22 Uhr in Dortmund festgesessen und wären nicht mehr nach Herford gekommen. Die Bahn, immer wieder ein Erlebnis.

In Altenahr ging es einen Hang hinab zu der großen Baustelle dort. Wir haben eine ganze Weile gezögert, auch wenn die Sperre oben am Hang bereits von jemandem geöffnet worden war. Aber einfach so über eine Baustelle laufen, auf der sogar garbeitet wird? Irgendwie fühlte es sich falsch an. Die Alternative allerdings wäre ein gigantischer Umweg gewesen, also haben wir es vorsichtig gewagt und eine Lücke im Baumzaun gefunden.
Die Arbeiter nahmen überhaupt keine Notiz von uns als wir an ihnen vorbeimarschierten. Einmal drüber über den Fahrweg, an etwas Schotter vorbei und die andere Seite war erreicht.
In Altenahr gab es eine Supermarkt-Box, die wir sofort gestürmt haben. So sehen hier also Oasen aus! Zwei Flaschen mit Wasser und Apfelschorle und eine Tüte Gummibärchen gingen sofort mit und wurden noch an der Bushaltestelle verputzt.
Insgesamt eine grandiose Wanderung mit viel Nervenkitzel und defintiv nichts für Anfänger! Die Tour hat auf dem Steig alpinen Charakter und jeder den wir unterwegs getroffen haben, hatte zu kämpfen. Der Weg ist manchmal kaum zu erkennen und schlängelt sich gefühlt unendlich. Und das in ständigem Auf und Ab. Hier ist neben Trittsicherheit auch Kondition gefragt. Ein (teilweises) Bad in der kühlen Ahr ist danach ein Träumchen.
Informationen (Stand 06 / 2023)
Name: Nichts für Anfänger! – Alpine Tour im Ahrtal (GPX)
Startpunkt: Ahr-Rotweinstraße, 53508 Mayschoß
Zielpunkt: Altenahr Bahnhof / Friedhof
Länge: ca. 10 km
Wanderwege, alpiner Steig
