An diesem Urlaubstag stand ursprünglich der Zillertalradweg auf dem Plan, allerdings lag meine Unterkunft ziemlich genau auf der Mitte des Radweges und erst zum Start fahren, dann an der Unterkunft vorbei und vom Ende wieder dorthin, fand ich nicht so interessant. Es musste ein Plan B her!
Plan B bedeutete, ich fahre bis Mayrhofen (ca. 15 km). Dort fährt ein Bus zum Zillergrund Stausee. Stauseen, speziell die Staumauern, begeistern mich immer. Allerdings ließ das angekündigte gute Wetter noch auf sich warten und ich wollte mich nicht stressen, nur um in Mayrhofen wegen Regen doch nicht zum See zu fahren. Also bin ich gestartet und habe mir gesagt, wenn ich den nächsten Bus erreichen sollte, dann fahre ich mit. Wenn nicht, dann nicht.
Das eBike habe ich in Kaltenbach bei Sport Stock ausgeliehen, was ganz unkompliziert funktioniert hat. Gekostet hat es € 45,00 für den Tag, abzüglich 10%, weil Sport Stock und mein Hotel (Explorer Hotel Kaltenbach) eine Kooperation haben.
Bei sehr mäßigem Wetter ging es los in Richtung Mayrhofen, also immerhin bis dort auf dem ursprünglich geplanten Zillertalradweg. Der ist sehr angenehm zu fahren. Ich bin überhaupt kein Fahrradfahrer und selbst ich bin ohne Probleme zurechtgekommen. Der Untergrund ist meist glatt und es gibt keine nennenswerten Steigungen zu bewältigen. Es geht fast immer am Fluss Ziller entlang, rechts und links hat man die Berge und man kommt durch mehrere lauschige Ortschaften.
Auch wenn es noch sehr nebelig und frisch war, hat die Fahrt Spaß gemacht. Der komplette Zillertalradweg steht also noch immer auf dem Zettel, wenn ich nochmal dorhin kommen sollte. Auf jeden Fall war es an diesem Tag so früh und bei diesem Wetter angenehm ruhig auf dem Radweg.
Nach etwa einer Stunde gemütlicher Fahrt kam ich am Bahnhof Mayrhofen an. Dort habe ich das Rad abgestellt und mich nach der Bushaltestelle umgeschaut. Die liegt direkt vor dem kleinen Bahnhofsgebäude und das Schicksal wollte es an diesem Tag so, dass ich genau passend angekommen war. Weil ich keinen Plan C zu meinem Plan B hatte, habe ich mich spontan zu der Fahrt zum Speicher Zillergründl (eine anderer Name für den Stausee) entschieden. Das Ticket kann man direkt beim Busfahrer kaufen. Es kostet für die einfache Fahrt € 7,90, worin € 0,50 Maut bereits enthalten sind. Die Straße zum Stausee ist mautpflichtig. Man kann nur die Hinfahrt kaufen, die Rückfahrt kauft man bei Antritt extra.
Die Fahrt dauert ca. 1 Stunde, eher länger, denn der Bus muss sich ordentlich bergauf mühen. Außerdem liegen noch einzelne weitere Haltestellen auf der Strecke und das Ein- und Aussteigen dauert seine Zeit. Leider blieb es bei Fahrt hinauf zur Staumauer durchweg nebelig. Viel gesehen hat man unterwegs leider nicht.
Das änderte sich auch nicht als unser Bus an der Staumauer ankam und wir ausstiegen. Ich gestehe, gedanklich saß ich da bereits im nächsten Bus zurück nach Mayrhofen. Gut, dass ich es nicht gemacht habe.
Also habe ich mir zunächst das angeschaut, was es von der Staumauer zu sehen gab bei dieser Nebelsuppe. Immerhin hatte ich die Mauer fast für mich alleine. Die Mauer ist 506 m lang, 186 m hoch und nur 7 m breit. Einmal hinüber und zurück ergibt einen netten kleinen Spaziergang.
Hinterher hatte sich der Nebel immer noch nicht gelichtet. Es gibt nahe des Stausees eine Alm, die Hohenaualm. Die Gegend dort wird Klein Tibet genannt. Die Alm ist nur rund eine Stunde Wanderung weit entfernt und was ich gelesen hatte, reizte mich schon. Aber bei diesem Wetter? Kurz und ungut: ich habe mit der Grübelei zu viel Zeit verplempert und bin letztlich doch losgelaufen.
Nicht verunsichern lassen, der Wanderweg führt anfangs tatsächlich durch diesen Steintunnel. Es ist ein seltsames Gefühl, durch solch einen Tunnel zu gehen, aber eben auch ein kleines Abenteuer. Für die Geocacher liegt hier GC8A5CP versteckt.
Kurz nach dem Tunnel begann ein wahres Naturschauspiel und es fällt mir schwer, das in Worte zu fassen. Ein Fleck am Himmel wurde plötzlich blau, dahinter war ein Schimmer der Sonne zu sehen und Minute für Minute löste sich ein weiterer Wolkenfetzen auf.
Der Weg ist mit eineinhalb Stunden Gehzeit ausgeschildert. Wer das schaffen möchte, der darf keinen Blick an die Landschaft rundum verschwenden, und das wäre traurig. Der erste Blick auf den nebelverhangenen See ist bereits beeindruckend. So ungefähr stelle ich mir einen Fjord vor, nur dass der See natürlich kleiner ist.
Die Berge auf der anderen Seite vom See sah man bei Ankunft gar nicht, nun tauchten sie langsam aus dem Nebel auf. Wild und schroff. Ein gigantischer und wunderschöner Anblick.
Das anfangs eher graue Wasser wurde endlich so türkisfarben wie auf den Fotos, die ich vorab gesehen hatte und die vielen Bänke stehen mit Recht entlang des Weges. Man könnte auf jeder einzelnen eine Pause einlegen, weil man sich nicht sattsehen kann. Kurz nach dem Tunnel weht bereits die erste tibetische Fahne und zahlreiche Tafeln mit Sinnsprüchen am Weg tragen zusätzlich zur Atmosphäre bei.
Der Wanderweg ist problemlos zu gehen. Es gibt nur einen kleineren Anstieg und selbst den spürt man angesichts des Panoramas gar nicht. Es geht in leichten Kurven und an kleineren Wasserfällen vorbei. Auf der anderen Seite liegt der See, auf den man immer eine sehr gute Sicht hat.
Am längsten hat es gedauert bis sich auch die Staumauer aus den Wolken geschält hatte. Der See liegt auf rund 1850 m Höhe, da brauchen Wolken etwas länger um sich aufzulösen. Unterwegs kann man an einem Punkt entscheiden, ob man nach Klein Tibet weitergehen, oder zur Plauener Hütte aufsteigen möchte. Die Tour soll ebenfalls zu empfehlen sein.
Richtung Klein Tibet öffnet sich das Tal immer weiter und die Landschaft verändert sich sichtlich.
In Tibet war ich noch nicht, aber wenn ich „Tibet“ höre, dann sieht es in meiner Vorstellung genauso aus wie die Landschaft hier. Tibetreisende, die hier eventuell lesen, dürfen mir gerne einen Kommentar hinterlassen, ob das stimmt.
Bis zur Hohenaualm ist es nun nicht mehr weit. Man sieht bereits von Weitem bunte tibetische Fahnen im Wind wehen, wird mit einem „Klein Tibet“ aus Holzbuchstabend begrüßt und kommt an einer Gebetsmühle und einem Wasserrad vorbei.
Die Hohenaualm ist optisch eher unauffällig, fügt sich aber wunderbar in die die Landschaft ein. Viel Holz, spannende kleine Treppchen, gleich nebenan liegen Ställe für die Tiere und es gibt ein waschechtes Plumpsklo einschließlich Herzchen in in der Tür.
Von der Terrasse aus hat man einen atemberaubenden Blick in das Tal und kann es sich gleichzeitig bei einem Stück Kuchen, der Brettljause und / oder einem Getränk gutgehen lassen. Mangels Zeit habe ich mir nur eine Apfelschorle gegönnt. Dabei sah der Kuchen wirklich super lecker aus. Die Produkte, die hier verwendet werden, stammen vom Hof der Pächterfamilie in Uderns.
Auf der Terrasse stand für mich endgültig fest, dass ich im Paradies gelandet bin. Denn die Hühner der Alm flitzen einem hier durchaus mal zwischen den Füßen umher und spekulieren auf Krümel vom Tisch. Ein Stück weit entfernt beim Stall tollten einige Schweine herum und in der schroffen Landschaft grasten friedlich ein paar Esel.
Ich hätte mich sehr gerne noch etwas genauer in der Nähe der Alm umgeschaut, aber mir saß die Zeit im Nacken. Der Rückweg zur Bushaltestelle, die Fahrt mit ungewisser Dauer und das Rad musste natürlich bis Ladenschluss zurück sein. Dennoch habe ich die Pause auf der Hohenaualm sehr genossen. Von Anfang / Mitte Juni bis ca. Mitte Oktober ist die Alm geöffnet und ich empfehle dringend einen Besuch dort.
Auf dem Rückweg schlichen sich bereits wieder Wolken in das Tal und über den See, was nochmal für einige tolle Aussichten und geheimnisvolle Stimmung sorgte. Als ich an der Bushaltestelle ankam, hatte die Krone der Staumauer bereits wieder ihr Wolkenkleid angezogen.
Auf der Rückfahrt gab es an einer Stelle einen kurzen Blick die Staumauer hinauf. Leider nur durch das Busfenster fotografiert, aber ich finde, die Höhe wirkt trotzdem imposant.
Da die Stopps auf dem Rückweg extrem lang dauerten, hätte ich den Rückweg nach Kaltenbach mit dem Rad niemals pünktlich zu Ladenschluss geschafft und so kam nochmal Schwung in den an sich so entspannten Tag. Schnell per Handy ein Ticket für die Bahn gebucht (das Fahrrad braucht ein eigenes Ticket?!) und hinein in die Zillertalbahn.
15 Minuten vor Ladenschluss habe ich das Rad dann abgegeben.
Wenn ich das Highlight des Urlaubs benennen soll, dann ist es eindeutig dieser Tag. Ein solches Naturschauspiel habe ich noch nicht gesehen und die Wanderung zur Hohenaualm ist ein Traum und für jedermann zu schaffen. Ich bin immer noch so unfassbar froh, dass ich nicht gleich in den nächsten Bus zurück nach Mayrhofen gestiegen bin.
Informationen (Stand 09 / 2021)
- Name: Von der Zillergründl Staumauer zur Hohenaualm
- Start / Ziel: Bushaltestelle an der Staumauerkrone
- Anreise: zB per Bus ab Bahnhof Mayrhofen
- Länge: ca. 4 km
- Steintunnel am Anfang, sehr gut begehbarer Forstweg
- Hohenaualm