Time to say goodbye, €9-Ticket! – Ein Erfahrungsbericht

Diesem Artikel möchte ich etwas Wichtiges vorausschicken: es ist ein Erfahrungsbericht!
Meine Erfahrungen nach drei Monaten €9-Ticket, nicht mehr und nicht weniger!
Mir ist bewusst, dass viele Menschen andere Erfahrungen damit gemacht haben. Mir ist klar, dass das Ticket nicht für jeden ein Segen war. Ich bin genau wie viele andere der Meinung, dass die Zustände an manchen Bahnhöfen und manchen Zielen eine Katastrophe waren. Tatsächlich schaue und lese ich Nachrichten.
Ich weiß auch, dass die Anzahl meiner Fahrten mit dem Ticket auf keinen Fall repräsentativ sind!

Dass ich mir die € 9-Tickets holen würde, stand für mich schon fest, da war es gerade erst im Gespräch.
Dementsprechend habe ich mir bei Aktionsstart gleich alle drei Tickets gekauft.
Das war über die bahnApp und bahn.de etwas hakelig aufgrund des Ansturms, aber letztlich hat es geklappt.

Vier Dinge standen für mich bereits bei Kauf fest

  1. Bei Abfahrt am Morgen, den frühesten Zug nehmen, der möglich ist. Damit einigermaßen gesichert ist, dass ich zumindest auf einer Fahrt an diesem Tag nicht in großes Gedränge gerate.
  2. Auf keinen Fall zu touristischen Hotspots damit fahren, denn dort wird es ganz sicher einen Ansturm geben.
  3. Es kann immer passieren, dass es Verspätungen / Zugausfälle gibt. Das schafft die Bahn auch ohne dieses Ticket, da kann es mit dem Ticket und den Massen an Fahrgästen nicht besser werden.
  4. Auf keinen Fall Fahrten damit machen, von denen Termine oder sonstige fixe Zeiten abhängen, geschweige denn ein Urlaub, ein Flug oÄ

Meine Pläne mit dem €9-Ticket

Mein Plan war es, mit dem €9-Ticket einige Wanderungen und Ausflüge zu unternehmen, die ich ohnehin äußerst ungern mit dem Auto angegangen wäre. Ich fahre an sich sehr gerne Auto, aber die Anzeigetafeln an den Tankstellen vereiteln einem dem Spass seit einiger Zeit gehörig. Da dürfte sich die Autofahrergemeinde einig sein.
Abgesehen davon bin ich eigentlich ganz gerne Bahnfahrer. Wenn alles läuft und klappt, gibt es für mich kaum etwas Bequemeres. Einsteigen, hinsetzen, Kopfhörer in die Ohren oder ein Buch vor die Nase, Getränke kommen in manchen Zügen von alleine „vorbeigefahren“ und vor dem Fenster gibt es immer etwas zu sehen.

Insgesamt habe ich mit dem €9-Ticket genau 10 Fahrten unternommen.

  • Herford – Hameln & zurück
  • Hin: Herford – Egestorf / Rück: Springe – Herford
  • Hin: Herford – Springe / Rück: Bad Münder – Herford
  • Hin: Herford – Oberhausen / Rück: Essen – Herford
  • Hin: Herford – Gladbeck / Rück: Recklinghausen – Herford
  • Herford – Höxter Godelheim & zurück
  • Herford – Lengerich & zurück
  • Herford – Hagen & zurück
  • Herford – Bad Bentheim & zurück (für zusätzlich € 5,00 je Weg weiter nach Hengelo)
  • Herford – Solingen & zurück

Einige Eckdaten dazu: Los ging es immer bereits zwischen 06.30 Uhr und 07:00 Uhr morgens, die Rückfahrten habe ich spätestens um 18:00 Uhr angetreten.
Ich war immer an Wochenenden, meistens am Sonntag unterwegs. Dass am Sonntagabend viele Leute von irgendwo zurückfahren, ist klar. Das war bei mir ja genauso. Also wollte ich nicht später unterwegs sein, sofern möglich.
Ich bin zwischen ein- und viermal je Strecke umgestiegen, habe dabei aber zugesehen, möglichst nicht über größere Bahnhöfe wie zB Hannover zu fahren. Ich war mit der Bahn und auch mit Bussen unterwegs.

Nun zu meinen Erfahrungen, bezogen speziell auf die Punkte, die für so viel Kritik gesorgt haben.

Verspätungen: Maximal 10 Minuten. Dadurch habe ich einmal einen Anschluss verpasst, konnte aber zeitnah auf einen anderen Zug umsteigen. Ansonsten sind für mich 10 Minuten Verspätung völlig im Rahmen und okay. Einen Zugausfall habe ich nicht erlebt.

Volle Züge / Bahnhöfe: Ich hatte immer einen Sitzplatz, einmal auf der Treppe im Zug (aber ich habe gesessen!), sonst auf einem normalen Platz. Stehen musste ich nur einmal für eine Strecke von 5 Minuten. Auf keinem Bahnhof habe ich Gedränge erlebt. Es war voller als zu Zeiten ohne € 9-Ticket, aber nie überfüllt. Es gab keine gereizte Stimmung am Bahnsteig oder in den Zügen, nie!

Temperaturen im Zug: Ja, es war an vielen Tagen warm, auch mal sehr warm. Aber hey, es war Sommer (sorry für den Ohrwurm!) und im Sommer ist es nun mal warm.

„Unverschämtes“ Bahnpersonal: Habe ich kein einziges Mal erlebt. Dass man zurechtgepfiffen wird, wenn man sich zB in den Zug schieben möchte, obwohl noch Fahrgäste aussteigen, finde ich völlig berechtigt. Ansonsten waren alle Kontrolleure freundlich und mit einem Lächeln unterwegs. In einem volleren Zug wurde sofort und ohne Aufforderung die 1. Klasse geöffnet, damit die Fahrgäste sich etwas besser verteilen konnten.

Drohungen, den Zug räumen zu lassen / Nicht reingelassen werden: Da ich nie in solch überfüllten Zügen unterwegs war, habe ich das nicht erlebt.

Bahnhof Tecklenburg

Nochmal (weil wichtig!)

Wie eingangs bereits gesagt: mir ist klar, dass meine 10 Fahrten auf keinen Fall repräsentativ sind!
Ich war ausschließlich Freizeitfahrer und hatte alle Zeit der Welt. Natürlich wäre ich bei einigen Strecken mit dem Auto schneller gewesen, aber nicht viel. Natürlich gibt es in Zügen und Bussen die Maskenpflicht. Das stört mich aber nicht.
Ich war kein Berufspendler, nicht anderweitig beruflich unterwegs, bin nicht in den Urlaub gefahren (wo auch ich nicht einen ganzen Tag nur für Hin- und Rückfahrt verplempern wollen würde), war nicht an touristischen Hotspots und bin auch keine Strecken von 500 km mit dem Ticket gefahren. Als Freizeitfahrer habe ich kein einziges Mal Stress erlebt oder übermäßig Zeit an die Fahrten vergeudet.

Ersparnis (kleine Zahlenspielerei)

Wenn ich alle Ziele mit dem Auto angefahren hätte, wären es stolze 2251 km gewesen. (errechnet mit googlemaps)
Wäre ich alle Strecken mit dem „günstigsten“ Tagestarif der Bundesländer -hier NRW und Niedersachsen- gefahren, hätte ich insgesamt € 271,50 gezahlt. (Referenz: 9 Uhr Tagesticket NRW & Tagesticket Niedersachsen).

Der Tank meines Autos fasst 35 l (gemäß Herstellerangabe). Zu Zeiten des €9-Tickets kostete Super im Durchschnitt zwischen € 1,80 und € 1,95 je Liter (Quelle Bundeskartellamt, ausgewertet bis 01.08.2022). Ich nehme für diese Rechnung den im Schnitt günstigsten Betrag von € 1,80 / l. Der Tank ist also rechnerisch für € 63,00 voll. Bei einem Mix aus Autobahn und Landstraße mit einem Schuss Stadtverkehr komme ich mit einem Tank etwa 550 km weit.

2251 km : 550km = ca. 4
4 mal volltanken zu je ca. € 63,00 = € 252,00

Nicht mit eingerechnet sind eventuell anfallende Parkgebühren und die Kosten, die Verschleiß am Auto mit sich bringt. Beides kann ich nicht abschätzen, aber es wäre auf jeden Fall noch dazugekommen.

Drei Monate €9-Ticket = € 27,00

Ich habe diese Rechnung tatsächlich erst für diesen Artikel gemacht. Mich haben vor allem die gefahrenen Kilometer und die Tankkosten umgehauen, die angefallen wären, wäre ich alles mit dem Auto gefahren. Dabei habe ich ein wirklich sparsames Auto, wie ich finde.

Rein rechnerisch hat sich das €9-Ticket für mich also auf jeden Fall gelohnt.

Wenn ich etwas an den drei Monaten Zugfahren zu kritisieren habe, dann ist es der Zustand der Züge. Das richtet sich ausdrücklich mit keiner Silbe gegen das Personal!
Aber als Fahrgast kann man seinen Müll beim Aussteigen mitnehmen. Man muss nicht mit Getränken hantieren, sodass der ganze Boden klebt. Man kann in den Toiletten die Abfallbehälter nutzen, statt die Tücher und was auch immer auf den Boden, ins Waschbecken oder sonst wohin zu schmeißen.

Als ich die Tickets gekauft habe, hätte ich es nicht für möglich gehalten, aber ich persönlich trauere dem €9-Ticket doch nach. Ich habe damit eine ganze Reihe schöner Ausflüge und Wanderungen unternommen, die mir mit dem Auto zu teuer gewesen wären.
Die meisten hatte ich schon länger auf dem Zettel, einige waren ganz spontane Touren. Ich habe keine nennenswerten Verspätungen oder gar Zugausfälle erlebt. Es war weder auf den Bahnhöfen, noch in den Zügen brechend voll und es gab kein einziges Mal Stress.
Über einen Nachfolger des €9-Tickets würde ich sehr freuen, denn ich habe längst nicht alle Touren geschafft, die ich gerne per Zug unternehmen würde.

Drei Touren, die gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln machbar sind

Vom Hengsteysee zur Hohensyburg
Müngstener Brückenpark & Schloss Burg
Teutoschleife Canyon Blick

Informationen (Stand 09 / 2022)

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